Der Firnis verleiht der Eitempera - Technik Beständigkeit. Er durchdringt alle Mal-Schichten bis hin zum Holz und bewirkt durch sein allmähliches Verharzen die jahrhundertelange Stabilität des Bildes. Die Farb-Schichten werden durch ihn verbunden und transparenter, die Farben selbst werden klarer und strahlen.   

Zur Festigung bislang noch nicht gebundenen Farbteilchen erhält die Ikone zwei Ei – Emulsions-Schichten. Die Emulsion, welche wir zum Binden der Farben benutzten, wird nochmals mit der gleichen Menge Wasser verdünnt und mit einem Pinsel aufgetragen. Goldflächen aussparen, aber Gold - Linien und - Schraffuren vorsichtig bedecken (vorsichtig, weil sie sich leicht lösen). Zum Durchtrocknen dieser zwei Schichten empfehle ich die Zeitdauer von einer Woche nicht zu unterschreiten. Verbliebene Feuchtigkeit könnte das Eindringen des Firnisses verhindern. Während dieser Trockenzeit kann der Ei - Auftrag eventuell Insekten anlocken, die gern von dem Ei naschen; also empfehle ich, die Ikone während dieser Zeit zu beobachten und keinesfalls weg zu schließen.

Während dieser Wartezeit testet der gewissenhafte Maler, ob der Leinöl-Firnis, welchen er verwenden will, tauglich ist. Dazu nimmt er eine Glasscherbe, einen glatten Kiesel oder auch ein Stück Plastik und bringt darauf mit einer Fingerkuppe ein wenig von dem Firnis auf und verstreicht ihn, so dass ein dünner Ölfilm stehen bleibt. Nach ungefähr drei Tagen sollte der Firnis trocken sein. Wenn die Fingerkuppe leicht über die Firnis - Oberfläche streicht, sollte ein leises Pfeifen zu Hören sein, ähnlich dem Ton beim Trockenreiben eines geputzten Fensters. Ist der Firnis nach drei oder vier Tagen noch nicht trocken, ist er noch zu frisch und sollte noch einmal aufgekocht werden (Firnis kocht, wenn am Rand des Gefäßes Bläschen aufsteigen). Die Trockenzeit darf nicht zu lang sein, sonst setzt sich zu viel Staub im Firnis ab; sie sollte aber auch nicht zu kurz sein, dann hätte der Firnis nicht Zeit und Gelegenheit die verschiedenen Mal-Schichten zu durchdringen.

Ist der Firnis getestet und für gut befunden, tragen wir mit der Fingerkuppe einen dünnen Film auf alles auf, unter Aussparung der Goldflächen. Um ein Auflösen von Ei - und  Farb-Schichten zu verhindern, nicht zu stark reiben! 

Nach diesem Auftrag greift der Ikonenmaler auf eine Tugend zurück, die er sich während des Malens bereits angeeignet haben sollte: zur Geduld. Er stellt die Ikone zur Seite und beschäftigt sich mit etwas anderem. Nach einem halben oder einem ganzen Tag schauen wir nach, was sich getan hat. In Abhängigkeit von den Faktoren Luftfeuchtigkeit, Lufttemperatur, Luftbewegung im Raum sowie Rest-Feuchtigkeit von Holz, Mal-Grund und Farb-Schichten werden sich unterschiedliche Ergebnisse zeigen:

* Die Ikone sieht aus, als hätte sie nie einen Firnis erhalten und ist matt wie vor dem Firnissen. Das ist gut und zeigt, dass die Mal-Schichten und das Holz den Firnis aufgenommen und absorbiert haben. Das Firnissen wird wie oben beschrieben wiederholt. Dies kann durchaus fünf- oder acht mal notwendig sein und gibt dem Maler Gelegenheit seine Geduld zu stählen.

* Die Ikone ist teils matt wie vorher, zum anderen Teil aber blieb der Firnis an der Oberfläche stehen und was zu viel ist, will nun mit sanfter Fingerkuppe abgenommen und auf die matten Stellen verteilt werden. Wenn der überflüssige Firnis nicht ausreicht die matten Stellen zu decken, kann noch ein wenig weiterer dazu genommen werden. Etwas hinzugefügter Speichel macht den Firnis geschmeidiger.

* Die Ikone ist auf der gesamten Oberfläche glänzend geblieben. In diesem Fall ist kein weiteres Hinzufügen von Firnis notwendig und wir bemühen uns, überflüssiges Öl mit dem Finger abzunehmen. Die Oberfläche ist noch nicht schön und wird mit dem Finger, in unterschiedliche Richtungen streichend, geglättet. Überschüssigen Firnis wischen wir vom Finger auf die Seitenränder der Ikone oder an einen Messer-Rücken ab.

In der Folge gilt es weiterhin zu beachten:
Nach zwei bis drei Tagen bemerkt die Fingerkuppe, die vorsichtig über den Firnis streicht, dass sich dieser nicht mehr so leicht abnehmen lässt, er wird langsam fest. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, eine glatte Oberfläche zu erarbeiten. So lang der Firnis noch flüssig war, ließ er sich nur für kurze Zeit glatt streichen, aber jetzt, da er schon fast fest ist, kann er durch etwas energischeres Verstreichen noch immer geebnet werden, erscheint im ersten Moment zwar matt, wird aber nach kurzer Zeit wieder glänzend.

Fehlerquellen:
Die Möglichkeiten beim Firnissen Fehler zu machen sind schier unerschöpflich und ich beschränke mich hier auf die häufigsten:
Die Gefahr, durch allzu heftiges Reiben Farb-Schichten zu lösen, wurde schon angesprochen. 

Eine weiterer, sehr häufig auftretender Fehler ist das Antrocknen lassen einer dicken Firnis Schicht. Wird versäumt, überflüssigen Firnis beizeiten abzunehmen, trocknet die zu dicke Schicht entweder gar nicht auf (ewig klebrige Oberfläche), oder es bilden sich beim Auftrocknen hässliche Flecken und „Narben“. Drum sei bemüht, immer nur einen dünnen Firnis - Film auftrocknen zu lassen. 

Während der Trockenzeit ziehen Ikonen auch Staub - und Schmutz-Partikel an; diese sollten rechtzeitig bemerkt und entfernt werden.
Sollte trotz aller Umsicht eine Firnis - Schicht nicht die gewünschte Glätte aufweisen, kann nach vollständigem Trocknen mit feinem Schleifpapier geglättet werden (nur Mut, es ist möglich, wenn man vorsichtig ist) und danach noch mal einen Firnis - Film (dünn) darauf!

Eine mögliche (aber keine erforderliche) Weiterbehandlung der Oberfläche und besonders der Seitenflächen einer Ikone ist das Aufbringen von Bienenwachs. Solches gibt es im Handel in verschiedenen Formen für die Oberflächenbehandlung von Holz. Sobald der Firnis getrocknet ist, wird mit einem glatten Tuch das Wachs aufgetragen und bald danach blank poliert. Vorgang bei Bedarf (auch mehrfach) wiederholen. 
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